Wenn unsere Kleidung zu schnell für Fairness und Umweltschutz ist
Fashion Revolution – eine Bewegung für Transparenz, Menschenwürde und Nachhaltigkeit in der Textilindustrie.
Diesen Blogbeitrag widmen wir der Fashion Revolution Week im April 2017. Eine ganze Bewegung um Modeliebhaber, Designer, Händler und kritische Konsumenten entstand in den letzten vier Jahren und kämpft in immer mehr Ländern auf der Welt für ein verantwortungsvolleres Konsumverhalten, Transparenz von Herstellern im Hinblick auf faire Arbeitsbedingungen und Nachhaltigkeit und somit auch für die Beantwortung der Frage „who made my clothes?“
Das Konsumverhalten in der westlichen Welt
Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft. Der Konsum ist unser ständiger Begleiter, unsere Wohlstandsdroge, die uns zielsicher den vielversprechenden Gutscheincodes, Rabattaktionen und Schlussverkäufen hinterherjagen lässt und uns zum Kauf von Produkten animiert, die wir längst im Dutzend haben und von denen wir sowieso wissen, dass wir sie nicht mehr als eine Saison lang aus dem Schrank fischen werden – oder sogar niemals. Aber das ist zweitrangig, denn wenn man drei Hosen zum Preis von zwei haben kann, hinterfragt man nicht, sondern man kauft. Kleidung wird nicht mehr dazu konzipiert, uns lange zu dienen, sondern möglichst schnell auszuleiern, Fäden zu ziehen und Knötchen zu bilden. Die Modeindustrie hat erkannt: Sie kann uns alle paar Monate eine neue, minderwertig gearbeitete Kollektion in die Schaufenster stellen und wir kaufen sie bereitwillig, scheinbar stilsicher den aktuellen Trends der Modemetropolen folgend und freudestrahlend über die „humanen“ Preise, die den Geldbeutel schonen und uns ein gutes Gefühl von Befriedigung geben.
Im Rausch von Fast Fashion
Für dieses Phänomen gibt es einen Begriff: Fast Fashion. Die übermächtige Textilindustrie macht sich unsere Sucht nach ständigem Konsum zunutze und damit mehr Umsatz als jemals zuvor. Die Leidtragenden findet man jedoch nicht verzweifelt vor dem Kleiderschrank kauernd, darüber grübelnd, was drin bleiben kann und was raus muss, sondern in den Nähereien in Indien, Kambodscha, Bangladesch, China und vielen weiteren meist asiatischen Ländern. Veraltete Maschinen, Hitze, mangelnde Sicherheitsvorkehrungen, Arbeit bis zur völligen Erschöpfung ohne lange Pausen und junge Mädchen, die die Bürde tragen, die Familie zuhause zu ernähren, prägen das Bild des Arbeitsalltags dort. Dieses „dort“ ist für uns Menschen in der westlichen Hemisphäre nicht nur eine physisch weite Distanz, sondern suggeriert auch eine mentale Verbindungslücke zwischen dem Stück Stoff, das wir uns jeden Morgen überstreifen und den Händen, durch die es entstand.
Ein T-Shirt für 2 Euro?
Ist es uns eigentlich egal, unter welchen Bedingungen unsere Kleidung produziert wird? Was wäre, wenn uns vor jedem Kauf vor Augen geführt würde, was der wahre Preis eines günstigen Kleidungsstücks ist? Wäre es uns dann immer noch egal? Und selbst wenn: Kann man als Einzelner überhaupt etwas bewegen? Ein Experiment zeigte eindrucksvoll: „People care when they know“ (etwa: Menschen kümmert es, sobald sie es wissen). Wie im folgenden Video zu sehen, werden Menschen auf einem öffentlichen Platz von einem Automaten magisch angezogen. Dort kann man sich allem Anschein nach ein T-Shirt für gerade einmal 2 Euro kaufen. Doch als die Passanten ihr Kleingeld in den Automat stecken, werden sie über die Zustände und persönlichen Schicksale der Arbeiter in den Nähereien aufgeklärt. Am Ende werden sie vor die Wahl gestellt: Möchten sie immer noch kaufen oder lieber die zwei Euro spenden? Betroffen und sogar voller Scham spendet so gut wie jeder sein Geld. Aber an wen? Wer steckt hinter dem Experiment, das vielen Menschen die Augen geöffnet hat?
Die Macht der Gemeinschaft: Fashion Revolution
Es handelt sich um die non-profit Organisation Fashion Revolution mit Hauptsitz in Großbritannien, die mittlerweile in über 90 Ländern vertreten ist. Ihre Ziele bestehen darin, über die Missstände in den Produktionsstädten zu informieren, jeden Einzelnen zum Handeln und Hinterfragen des Status quo aufzurufen und somit Druck auf die Regierung auszuüben, damit diese die bestehenden Gesetzgebungen abändert und verschärft. Die Mitglieder (Modeliebhaber, Akademiker, Designer, politisch Aktive, Hersteller, Weltbürger) setzen sich dafür ein, eines Tages eine fairere, sicherere, transparentere und verantwortungsvollere Mode Industrie zu erschaffen. Dies kann nur geschehen, wenn sich das Konsumverhalten einer breiten Masse grundlegend ändert und Hersteller in Zugzwang geraten, ihre Arbeitsprozesse offenzulegen und den Kunden somit den drängenden Wunsch nach Transparenz zu erfüllen.
Rana Plaza: Der hohe Preis für günstige Kleidung
Die NGO wurde in Reaktion auf die Ereignisse in Bangladesch am 24. April 2013 ins Leben gerufen. Damals stürzte der Gebäudekomplex Rana Plaza ein, in dem mehrere Nähereien für bekannte Marken angesiedelt waren. Obwohl die prekäre Sicherheitslage bekannt zu sein schien, wurde keine Evakuierung vorgenommen. Die Produktionskosten auf ein Minimum zu begrenzen, ist schließlich das Ziel eines jeden Herstellers. So verloren über 1000 Arbeiter an diesem Tag ihr Leben und viele wurden so schwer verletzt, dass sie seither arbeitsunfähig sind. Die Marken, in deren Auftrag die Nähereien arbeiteten, standen nun unter Druck. Um sich vor dem drohenden Gesichtsverlust zu wappnen und das bis dahin wohl gepflegte Image gerade zu bügeln, wurden teure PR- Kampagnen gestartet, die zeigen sollten, zu welch großem Umdenken die Katastrophe geführt hatte. Doch nachdem sich die Welle der Empörung gelegt hatte, wurde im fernen Osten genauso weiter produziert wie bisher, die Hinterbliebenen und Überlebenden bekamen keinerlei Entschädigung und die Marketingstärke der Hersteller nahm nur noch weiter zu.
Die Fashion Revolution Week: Wer ist das Gesicht hinter meinem Kleidungsstück?
Dies wollten die Gründer von Fashion Revolution nicht länger akzeptieren. Doch anstatt wütend auf die Barrikaden zu gehen und mit erhobenem Zeigefinger belehren zu wollen, ist die Herangehensweise der Organisation eine durchweg positive. Menschen vereinen sich aus Liebe zur Mode und zur Umwelt. Gemeinsam entwickeln sie Ideen und Konzepte, wie man Kleidung wieder wertschätzen lernt und verantwortungsbewusster damit umgeht. Die Spenden nutzt Fashion Revolution, um Informationsmaterial herauszubringen, investigative Recherche zu betreiben und Events zu organisieren. Denn jedes Mal, wenn sich im April die Katastrophe von Bangladesch jährt, findet weltweit eine Fashion Revolution Week statt. Das tolle ist: Jeder kann dabei mitmachen. Die Kraft der sozialen Medien wird genutzt, um unter dem Hashtag #whomademyclothes ein Selfie zu posten. Dabei trägt man seine Kleidung links herum, sodass man das Markenlogo und das „made in“ Label sieht. Näher, Schneider und andere Arbeiter der Textilindustrie antworten unter dem Hashtag #imadeyourclothes mit ihrem eigenen Selfie. Dadurch bekommen die Kleidungsstücke wieder ein Gesicht. Grenzen werden aufgehoben und für mehr Transparenz und Empathie gesorgt. Dies soll besonders die Hersteller wachrütteln und zeigen, dass es vielen Menschen bei Mode nicht nur darum geht, möglichst günstig einzukaufen. Es reicht auch nicht mehr aus, nur das Produktionsland auf dem T-Shirt zu erfahren. Denn was selbstverständlich für alle sein sollte: Es zählt nicht „hergestellt in Deutschland/ Bangladesch/ China“, sondern vielmehr „hergestellt in Würde“. In der Fashion Revolution Week geht es auch darum, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und gegenseitig zu motivieren. So fand zum Beispiel in Hamburg am 24. April 2017 eine Kleidertausch-Aktion statt. Dort konnte man seine eigene Kleidung durch gleichwertige Kleidung anderer Menschen eintauschen. So bekam jeder ein neues Kleidungsstück und schützte gleichzeitig unsere Ressourcen.
Was kostet mich die faire Bezahlung von Arbeitenden in den Nähereien?
Um tatsächlich in Würde arbeiten und leben zu können, reichen die bisherigen Gehälter der Arbeiter nicht aus. Diese liegen im Durchschnitt bei einem Stundenlohn von gerade einmal 18 Cent. Eine Informationsbroschüre auf der Website Fashion Revolution zeigt auf, wie wenig man tatsächlich draufzahlen müsste, um einer Näherin oder einem Näher mehr als das doppelte an Stundenlohn zu bezahlen. Nimmt man als Beispiel ein T-Shirt für 29 Euro, so kommt man auf gerade einmal 1,57 Euro mehr! Wenn dafür jedoch gewährleistet würde, dass das Shirt nicht nur eine bessere Qualität hat, ressourcenschonender verarbeitet ist und gleichzeitig das Überleben einer Familie sichert, würden Sie dann trotzdem vor einem Kauf zurückschrecken? Oder geben einem diese 1,57 Euro am Ende des Tages nicht doch ein besseres Gefühl als das günstigste Schnäppchen beim Schlussverkauf ergattert zu haben? Wie wäre es mit dem Ansatz: Weniger, aber dafür bewusster kaufen? Das schont nämlich den Geldbeutel deutlich mehr.
Weniger ist mehr! Slow Fashion von vertrauensvollen Herstellern
Genau an diesem Konzept orientiert sich auch unser greenstories-Shop und das bereits von Beginn an. Kaufen Sie weniger, aber dafür qualitativ hochwertige Mode mit langer Tragedauer, auch über mehrer Kindergenerationen. Kaufen Sie robuste, schadstofffreie Spielsachen, die nicht leicht kaputt gehen. Sie haben Fragen zum Hersteller - wir erzählen Ihnen gerne die "green story" hinter dem Produkt.Denn wir verkaufen kein Produkt, welches unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen hergestellt wurde und die Umwelt belastet. Jeder Hersteller, mit dem wir zusammenarbeiten, muss uns seine Produktionsprozesse und die Herkunft und Schadstofffreiheit der Materialen offenlegen.Zusätzlich finden Sie bereits vor dem Kauf zu jedem Produkt viele Informationen zum Material, wer dahinter steckt und wo es produziert wird. Damit sind Sie nicht nur bestens Informiert sondern ist zugleich ein Schutz vor genau den Nachteilen der Fast-Fashion-Insdustrie. Deshalb schalten wir gemeinsam mit unseren Herstellen einen Gang zurück und fühlen uns sehr sehr wohl mit unseren Slow-Fashion Produkt. Vielleicht steckte auch deshalb ebenso schon von Beginn an unser Slogan "beruhigend für Kind und Familie" im Blut von greenstories.
Doch konkret wird es zum Beispiel an einer unserer liebsten Marken und Hersteller disana "Von Anfang an Natur"! In unserem Sortiment führen wir vielleicht auch deshalb eine große Auswahl an Babymode von Disana, welche stetig wächst. Die Firma mit Sitz auf der Schwäbischen Alb fertigt ab dem fertigen Garn komplett in Deutschland mit hochwertigen Biofasern. Zur Fashion Revolution Week postete auch Disana auf Instagram unter dem Hashtag #imadeyourclothes ein Bild ihrer fleißigen Näherinnen und Näher. Neben dem Bild steht unter anderem geschrieben: „Fragt euch, woher eure Kleidung kommt, seid neugierig, schaut hinter die Kulissen!“. Disana dokumentiert damit die Gesichter hinter der tollen Kleidung und setzt damit ein Zeichen. Deshalb arbeitet greenstories auch so gern solch motivierten und von Grund auf ökologisch eingestellten Herstellern zusammen. In diesen Betrieben ist niemand anonym, sondern erfährt Wertschätzung und wird als festes Glied im Prozess des Modemachens anerkannt. Dies können wir – und hoffentlich auch sie – nur unterstützen. Denn der Gegenentwurf zu Fast Fashion heißt Slow Fashion. Es geht darum, wieder in Marken vertrauen zu können, nachhaltige Ideen und Innovationen zu entwickeln und sich um Alternativen Gedanken zu machen. Qualität steht vor reiner Masse und funktionale, sinnvolle Designs vor kommerzieller, eilig entworfener Massenware.
Fazit
Durch die weltweite Bewegung der Fashion Revolution wurde in nur wenigen Jahren durch unerbittlichen und passionierten Einsatz engagierter Menschen auf ein Problem von tragischem, globalen Ausmaß aufmerksam gemacht. Nach dem Unglück in Bangladesch im April 2013 ebbt die Welle des Mitgefühls und der Wunsch zu helfen und etwas zu verändern noch lange nicht ab und soll letzten Endes auch die großen Firmen erreichen, die ihre Augen schon nach kurzer Zeit wieder abkehrten von den Missständen und der modernen Sklaverei. Die Textilindustrie ist einer der ältesten Wirtschaftszweige der Welt, der sich jedoch an den Wünschen des heutigen Verbrauchers orientiert. Es ist somit falsch zu denken, man könne als Einzelner nichts verändern, denn Ihr Geld hat Macht! Sie können entscheiden, in wessen Taschen es fließt. Für Fashion Revolution engagieren sich nicht nur Konsumenten, sondern auch Produzenten und zeigen, dass es längst nicht jedem Hersteller egal ist, was mit seinen Arbeitern geschieht.
Um in die Tiefe der Thematik mit all ihren Facetten und Problematiken einzutauschen, wird auf der Website Fashion Revolution auch spezifisch für Deutschland eine Fülle textlich und graphisch ansprechender und aufklärender Informationen zur Verfügung gestellt. Dort gibt es zum Beispiel die Funktion, eine Marke direkt persönlich anzuschreiben oder sich das #whomademyclothes Schild direkt auszudrucken. Darüber hinaus gibt es einen Blog voller Themen, die den eigenen Horizont erweitern und etwa den Arbeitsalltag eines Arbeiters einer Textilfabrik schildern. Ein Stöbern auf der Seite lohnt sich allemal – werden Sie aktiv!
Dieser Beitrag wurde am 28.4.2017 veröffentlicht.
Bildrechte:
- "I Made your clothes" © disana "Von Anfang an Natur
- "Wer macht meine Kleidung, Mama?" © greenstories
- Hands of poorness © AjF - fotolia
- woman onm a shopping spree © imtmphopto - fotolia
- baby and tolddler clothes © Studion Grand Ouest - fotolia
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